Dieser Auszug stammt aus “Marxist Modernism: Introductory Lectures on Frankfurt School Critical Theory” von Gillian Rose, herausgegeben von James Gordon Finlayson und Robert Lucas Scott, erhältlich bei Verso Books. Gillian Rose wird oft als schwierige Denkerin bezeichnet, da sie wenig Konzessionen an ihre Leser macht. In ihren Werken beschäftigt sie sich mit einer breiten Palette von Disziplinen und Traditionen, von Philosophie über Theologie, Rechtstheorie, Judaistik, literarischen Modernismus, politische Theorie, Soziologie bis hin zur Architektur. Der neue Band “Marxist Modernism” umfasst Einführungsvorlesungen, die Rose 1979 an der Universität von Sussex zur Frankfurter Schule der Kritischen Theorie gehalten hat.
In diesen Vorlesungen erläutert Rose die Positionen von Georg Lukács, Ernst Bloch, Walter Benjamin, Bertolt Brecht, Max Horkheimer und Theodor Adorno und bietet damit einen Einstieg in die Schwierigkeiten, die sie aufwerfen. Diese Einführung in die Frankfurter Schule der Kritischen Theorie veranschaulicht auch die Fragen und Anliegen, die ihr gesamtes Werk prägen. Kritische Theorie, wie Rose sie definiert, entsteht aus einer Kritik am Marxismus, bedeutet aber nicht, dass sie den Marxismus aufgibt. Stattdessen ist die kritische Theorie für Rose ein offenerer und dialektischer Blick auf den Marxismus.
Die Frankfurter Schule nutzte das Konzept des Warenfetischismus von Marx als Modell für das Verhältnis zwischen gesellschaftlichen Prozessen, sozialen Formen und dem Bewusstsein. Im Gegensatz zur starren Unterscheidung zwischen ökonomischer Basis und ideologischer Überstruktur des Marxismus bietet der Warenfetischismus eine soziologische Erklärung für die soziale Bestimmtheit und relative Autonomie anderer gesellschaftlicher Formen. Die Frankfurter Schule betrachtete den Warenfetischismus als notwendige Illusion, die die Verwandlung realer sozialer Beziehungen in Beziehungen zwischen Dingen ermöglicht.
Darüber hinaus beschäftigte sich die Frankfurter Schule mit Nietzsche und dessen Ablehnung einer idealistischen Philosophie der Geschichte sowie mit Freuds Theorien zur Bildung von Subjektivität in der fortgeschrittenen kapitalistischen Gesellschaft. Diese Analyse diente als Verbindung zwischen ökonomischen und politischen Prozessen und den daraus resultierenden kulturellen Formen. Durch die Auseinandersetzung mit Nietzsche und Freud entwickelte die Frankfurter Schule ihre Theorien zur sozialen Determinierung, zur Kulturindustrie und zu ästhetischen Erfahrungen in der Spätphase des Kapitalismus.