Der deutsch-amerikanische Künstler Lyonel Feininger (1871–1956) ist eine klassische Figur der modernen Kunst. Die Schirn Kunsthalle Frankfurt widmet dem bedeutenden Maler und Grafiker eine umfangreiche Retrospektive, die erste in Deutschland seit fünfundzwanzig Jahren, und bietet somit ein gründliches und überraschendes Gesamtbild seines Werks. Feininger ist bekannt für seine Gemälde von Gebäuden, die kristalline Architekturen mit einer unverkennbaren Monumentalität und Harmonie der Farben zeigen. Die Rezeption seiner Arbeit heutzutage übersieht jedoch oft die Originalität und Vielfalt der künstlerischen Facetten seines Œuvres, das zahlreiche Tendenzen der Moderne widerspiegelt. Verschiedene scheinbar gegensätzliche Interessen durchziehen sein Werk mit großer Kontinuität und sind Teil seiner unverwechselbaren Signatur.
Dr. Sebastian Baden, Direktor der Schirn Kunsthalle Frankfurt, betont: „Lyonel Feininger zählt zu den bekanntesten Vertretern der klassischen Moderne in Deutschland, aber die Vielseitigkeit seiner Kunst ist dennoch überraschend unbekannt für ein breiteres Publikum. Die umfangreiche Retrospektive in der Schirn bietet nun eine spektakuläre Neubewertung seines Œuvres als Ganzes aus sechzig Jahren künstlerischer Arbeit, mit wichtigen und selten gezeigten Leihgaben aus Sammlungen in Europa und den Vereinigten Staaten. In dieser einzigartigen Ausstellung wird der facettenreiche Charakter seines Gesamtwerks, das erstaunliche Entdeckungen bereithält, deutlich.“
Die Schirn präsentiert selten gezeigte Werke wie Die Radfahrer (1912), Selbstporträt (1915), Zirchow VII (1918), Gelmeroda XIII (1936) und Manhattan I (1940), aber auch weniger bekannte Arbeiten wie die kürzlich wiederentdeckten Fotografien des Künstlers. Feininger entwickelte schon früh seinen eigenen Stil als Grafiker und Karikaturist. Neben zentralen Werken aus der frühen figurativen Phase mit politischen Karikaturen, humorvoll-grotesken Stadtansichten und karnevalistischen Figuren wirft die Ausstellung auch Licht auf seine Rolle als Lehrer am Bauhaus und Meister grafischer Techniken wie Zeichnung und Holzschnitt. Ein besonderer Schwerpunkt liegt auf dem Exil des Künstlers in den Vereinigten Staaten, mit zentralen Werken aus dieser Zeit. Mit rund 160 Gemälden, Karikaturen, Aquarellen, Holzschnitten, Fotografien und Objekten zeigt die Ausstellung wichtige Themen und Entwicklungen auf, die Feiningers Werk geprägt haben und es einzigartig machen.
Dr. Ingrid Pfeiffer, Kuratorin der Ausstellung, erläutert: „Lyonel Feiningers herausragendes Gesamtwerk repräsentiert zahlreiche Strömungen in der Kunst des 20. Jahrhunderts auf höchst exemplarische Weise, ist jedoch äußerst individuell. Seine künstlerische Entwicklung verläuft nicht linear, sondern zeigt zahlreiche Sprünge und Rückgriffe auf frühere Themen. Feiningers große Themen werden gleichzeitig über alle Medien hinweg sichtbar, bis hin zu seinem Spätwerk. Sein unabhängiges Denken ist frei von Hierarchien, und das Widersprüchliche und Unterschiedliche wird ebenfalls toleriert. Während es auf den ersten Blick oft ernsthaft, konstruiert und monumental erscheint, ist es auch ein Œuvre voller Überraschungen, tiefer Melancholie und spielerischer Leichtigkeit.“
Für die Präsentation konnte die Schirn wichtige Leihgaben von zahlreichen deutschen und internationalen Museen sowie öffentlichen und privaten Sammlungen gewinnen und in Frankfurt zusammenführen. Zu den Geldgebern gehören unter anderem das Bauhaus-Archiv Berlin; Harvard Art Museums/Busch-Reisinger Museum, Cambridge, MA; Museum Lyonel Feininger, Quedlinburg; Kunstmuseum Basel; The Metropolitan Museum of Art, New York; Museo de Arte Thyssen-Bornemisza, Madrid; The Museum of Fine Arts, Houston; Museum Folkwang, Essen; The Museum of Modern Art, New York; National Gallery of Art, Washington, DC; Solomon R. Guggenheim Museum, New York; Sprengel Museum Hannover; Staatliche Museen zu Berlin, Nationalgalerie; Staatsgalerie Stuttgart; und Whitney Museum of American Art, New York.