Blau steht für Wasser, Himmel, Unendlichkeit oder, gemäß Yves Klein, für das Unsichtbare, das sichtbar wird. In den neuesten Werken des Schweizer Künstlers Giacomo Santiago Rogado löst sich die Distanz zwischen Farbe und Wahrnehmung auf. Das Intuitive tritt in den Vordergrund. Rogados dritte Einzelausstellung bei Bernhard Knaus Fine Art vereint diese jüngsten Arbeiten, die mit der Unmöglichkeit spielt, Dinge so wahrzunehmen, wie sie wirklich sind.
Stelle dir vor, dass du die Augen schließt und an einen Ozean denkst. Wahrscheinlich dominiert die Farbe Blau in diesem Bild. Umgekehrt wird Blau automatisch mit überwiegend positiven Qualitäten und Dingen wie Ruhe oder dem Meer in Verbindung gebracht. Blau spielt auch häufig eine zentrale Rolle in den Gemälden von Giacomo Santiago Rogado, wo der Künstler die Tiefe der Farbe mit dem Rest des Farbspektrums in harmonischen Kompositionen kombiniert. Diese Harmonie, die auf Rogados meditativer Arbeitsweise basiert, wird auf den Betrachter übertragen. Farben werden zu Figuren auf der Leinwand, die mit dem Unterbewusstsein in Kontakt treten und meditative Prozesse in Gang setzen.
In seinen neuesten Gemälden setzt Rogado Entwicklungen fort, die bereits in früheren Werken angedeutet wurden. Der Künstler überträgt dabei den Malakt teilweise auf die Materialien seiner Werke: Baumwolle, Pigment und Wasser. Kreisförmige Formen entstehen, Spuren von Farbbewegungen setzen sich auf der Leinwand oder auf dem Papier fest. Die Werke aus der Serie ‘Intuition’ zeigen ein Wechselspiel von Licht und Dunkelheit. Beide Komponenten scheinen aus ähnlichen Zentren zu entstehen, die jedoch nicht fest verortet werden können. Nuancen von Türkis bis Mitternachtsblau, von Karmesinrot bis Bordeauxrot, gehen Verbindungen ein und breiten sich weiter im Bildraum aus. Dieser Formen- und Farbenfluss hat etwas Geheimnisvolles. Es scheint fast, als ob höhere Kräfte bei seiner Schöpfung am Werk wären. Und dieser Gedanke ist gar nicht so abwegig, denn Rogados Werke setzen emotionale Kräfte im Betrachter frei, der eins wird mit den Gemälden und folglich in gewisser Weise mit dem Künstler selbst. ‘Der Maler bist du, der Maler bin ich.’ Diese Worte des Zen-Mönchs Seigaku Higuchi könnten die Wirkung von Rogados Gemälden nicht treffender beschreiben, die intuitiv-expressive Bindungen zwischen dem betrachtenden Auge, dem Gemälde und seinem Maler.
Affektiv, meditativ, kontemplativ – so kann die Begegnung mit einem Gemälde von Giacomo Santiago Rogado beschrieben werden. Der Künstler überlässt es jedoch den Betrachtern, welche Emotionen beim Betrachten seiner Werke ausgelöst werden. Das deutsche Wort ‘Betrachtung’ leitet sich von ‘Achtung’ ab, was sowohl als Aufmerksamkeit als auch als Respektierung von etwas oder jemandem übersetzt werden kann. Das Verb ‘betrachten’ beschreibt dann einen gegenseitigen Austausch, bei dem man seine Umgebung, aber auch sich selbst, besser kennen lernen kann. In der heutigen Zeit, in der der Begriff Achtsamkeit von den Medien zwar überstrapaziert zu sein scheint, aber dennoch im Gegensatz zur alltäglichen Übersättigung durch vielfältige Eindrücke seinen Reiz hat, ist es wichtiger denn je, darüber nachzudenken, wohin die Aufmerksamkeit fließt. Wenn man beispielsweise Rogados Werk ‘Thrust’ als eine Einladung zur Reflexion versteht und ihm folgt, erhält man neue Eindrücke der eigenen und einer gemeinsamen Realität. Das Unsichtbare bewegt sich möglicherweise ins Sichtfeld.
Giacomo Santiago Rogado (*1979 in Luzern) lebt und arbeitet in Berlin, Luzern und Basel. Seine Werke wurden in zahlreichen Einzel- und Gruppenausstellungen in Zürich, Berlin, Barcelona und London gezeigt. Rogados Werke sind in wichtigen öffentlichen und privaten Sammlungen vertreten, wie beispielsweise dem Aargauer Kunsthaus Aarau oder den Sammlungen des Kunstmuseum St. Gallen und Kunstmuseum Solothurn. Die raumfüllenden Installationen des Künstlers wurden zuletzt in der Städtischen Galerie Delmenhorst und der Kunsthalle Luzern ausgestellt. Pressemitteilung mit freundlicher Genehmigung von Bernhard Knaus Fine Art.