Männer in weißen Hemden sitzen um einen Konferenztisch herum. Ihre Köpfe und Oberkörper sind über ihre Knie gebeugt, ihre Hände liegen schlaff auf dem Boden. Das wandgroße Ölgemälde von Adelita Husni-Bey hängt am Eingang der neuen Ausstellung in der Schirn Galerie.
Mit ihrer Arbeit, die den Titel “The Sleepers” trägt, kritisiert die in New York ansässige Künstlerin das Nichtstun der Weltführer. In einem anderen Stück, einer Installation von Guillaume Bijl, wurden Wahlkabinen aus Finnland, Aserbaidschan, Österreich, Japan, Marokko und China nachgebildet. Der belgische Künstler schlägt vor, über die Bedeutung von Wahlen in einer “Post-Demokratie” nachzudenken.
Von Anti-Trump-Demonstrationen über die Occupy-Bewegung bis hin zur #MeToo-Debatte finden die jüngsten Protestbewegungen sicherlich ihren Weg in die Kunst. “Wir erleben eine Rückkehr der Kunst zum Politischen”, sagte Philipp Demandt, der Direktor der Schirn Galerie. In solch turbulenten Zeiten ist die Kunst wieder zu einem kulturellen Barometer geworden.
Die Ausstellung besteht aus 43 Werken aus Ländern auf der ganzen Welt. Mit Installationen, Fotografien, Zeichnungen, Gemälden und Videos versucht die Kuratorin Martina Weinhart, politische Kunst zu bilanzieren.
Zu den ausgestellten Werken gehört die ironische Arbeit des türkischen Künstlers Ahmet Ögüt, der zwei Polizeischilde in Saloontüren umgewandelt hat. Das fotografische Werk seines in London ansässigen Landsmanns Osman Bozkurt ist ebenso eindrucksvoll. In einem Großformatfoto porträtiert er 10 mit lila Tinte beschmierte Finger – eine Erinnerung an die zweifelhaften Parlamentswahlen am Bosporus im Jahr 2002.
Das Videoprojekt des documenta-14-Künstlers Hiwa K, “This Lemon Tastes of Apple”, zeigt hektische Szenen aus einer Demonstration im Irak, bei der die Teilnehmer Zitronen gegen Tränengas einsetzten, bevor sie flüchteten.
Besucher der Galerie mögen von politischer Propaganda begrüßt werden. Ist Kunst heutzutage überhaupt eine geeignete politische Waffe? Ist sie ein nützliches Werkzeug, um gegen eine grausame Welt vorzugehen? Was bedeutet ihre Verwendung für die Qualität der Kunst? Solche Fragen werden auch von der Frankfurter Ausstellung aufgeworfen, wie von vielen anderen in letzter Zeit.
Kürzlich kampagnierte der Fotograf Wolfgang Tillmans gegen den Brexit und den drohenden Austritt des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union mit einer Plakatkampagne in London in der Tradition des deutschen Plakatkünstlers Klaus Staeck. Das Berliner Zentrum für Politische Schönheit konzentriert sich seit Jahren auf die Flüchtlingskatastrophe im Mittelmeer. Der isländische Künstler Olafur Eliasson eröffnete sogar im vergangenen Mai auf der Biennale in Venedig eine Lampenwerkstatt, um “ein Licht” auf die Flüchtlingskrise zu werfen. Bei der documenta-Ausstellung in Kassel wurde eine Straße nach einem Opfer eines terroristischen Akts, der von einer Nazi-Gruppe begangen wurde, umbenannt.
Kunst mit einer politischen Botschaft ist auf jeden Fall gefragt, aber kann sie die Welt zum Besseren verändern? Für Picasso, der mit seinem Gemälde “Guernica” eine Ikone der politischen Kunst schuf, war auch die Kunst eine Waffe. Als ein deutscher Besatzungssoldat in Paris Picasso fragte, ob er das Bild gemalt habe, antwortete er: “Sie haben dieses Bild gemalt, nicht ich.” Dass das Werk überhaupt notwendig war, war die Schuld der Deutschen.
Die Ausstellung “Power to the People” ist bis zum 27. Mai in der Schirn Galerie in Frankfurt zu sehen.