Der deutsche sozialistische Denker Erich Fromm wird oft im Vergleich zu seinen Kollegen der Frankfurter Schule wie Max Horkheimer und Theodor Adorno vernachlässigt. Fromms Analyse der autoritären Kultur bietet eine bodenständigere Alternative zu den einflussreichen Theorien von Horkheimer und Adorno und zeigt eine optimistischere und hoffnungsvollere Auseinandersetzung mit der Frage nach radikalem sozialem Wandel. Die wissenschaftliche Forschung über die Frankfurter Schule und die kritische Theorie hat Fromms Beitrag heruntergespielt, und seine aussagekräftige Kritik am Autoritarismus wurde nicht angemessen berücksichtigt.
Fromm, in eine mittelständische, orthodox jüdische Familie in Frankfurt am Main geboren, studierte zunächst Rechtswissenschaften in Frankfurt, wechselte dann aber zur Nationalökonomie an die Ruprecht-Karl-Universität Heidelberg. Unter Einfluss von Alfred Weber, Karl Jaspers und Heinz Rickert begann er sich für den Marxismus zu interessieren. Er war anfangs nicht politisch aktiv, engagierte sich jedoch stark im jüdischen Umfeld, gründete ein Lehrhaus und eine Klinik für psychoanalytische Behandlung jüdischer Patienten. Ab den 1920er Jahren wuchs sein Interesse am Marxismus, insbesondere während der „Krise des Marxismus“, die von Karl Korsch geprägt wurde, und er begann, Psychoanalyse auf soziale Fragen anzuwenden.
Fromm trat schließlich dem Frankfurter Institut für Sozialforschung bei, wo er zusammen mit Max Horkheimer die Verschmelzung von Psychoanalyse und Marxismus vorantrieb. Er führte eine innovative Studie über deutsche Arbeitskräfte durch und kam zu dem Ergebnis, dass etwa 10 Prozent autoritär, 15 Prozent demokratisch/humanistisch und 75 Prozent mittig eingestellt waren. Seine Erkenntnisse waren wegweisend und beleuchteten die Tendenzen, die unter dem Nazi-Regime auftraten. Obwohl er das Institut Ende der 1930er Jahre verließ, blieb er bis in die 1960er Jahre politisch aktiv und veröffentlichte wichtige Werke wie „Die Kunst des Liebens“ und „Die gesunde Gesellschaft“.
Fromm war ein Vordenker des sozialistischen Humanismus und engagierte sich intensiv für progressive Veränderungen in Gesellschaft und Politik. Seine Werke wie „Die gesunde Gesellschaft“ und „Haben oder Sein“ unterstreichen sein Engagement für eine humanistische Perspektive im Sozialismus und seine Kritik an autoritären Strukturen. Trotz einiger Differenzen mit anderen Mitgliedern der Frankfurter Schule blieb Fromm einer der einflussreichsten sozialistischen Denker seiner Zeit und bot wertvolle Einsichten in die sozialen und politischen Herausforderungen seiner Ära.